Jazzbridge 2010: Danzig-Bremen-Budapest

Freitag| 30.04.2010 | 20.00 Uhr
Schwankhalle Bremen | Buntentorsteinweg 112 | 28201 Bremen
Jazzbridge Ensemble (Danzig|Bremen|Budapest)|
K. Stańko, D. Bukowski, P. Lemańczyk Trio (Danzig)|
Rosamunde Quintett (Bremen)

flyer jazzbridge

Die bereits etablierte Zusammenarbeit von Bremer und Danziger Musikern wird im Jahr 2010 erstmalig um Budapest erweitert. Das erfolgreiche Konzept der JazzBridge gewinnt mit dem Musiker und Präsident der Hungarian Jazz Federation Márkus Tibor ein künstlerisches wie organisatorisches Schwergewicht der ungarischen Jazzszene für Bremen.

Das kulturelle Dreiecks-Austauschprojekt hat sich zum Ziel gesetzt, in jedem der beteiligten Länder als JazzEnsemble auftzutreten. Gestartet wird damit in Bremen. Dabei liegt in diesem Jahr der Schwerpunkt auf der Besonderheit der weiblichen Stimme im Jazz.
Die Workshop-Leitung wird dabei von den polnischen Musikern Dominik Bukowski und Krystyna Stańko übernommen.
Das JazzBridge-Ensemble wird aus den folgenden Mitglieder bestehen:
Julia Fiebelkorn (voc), Gerald Willms ( bass), Christian Höpfner (drums / Bremen) und Dominik Bukowski (vib), Krystyna Stańko (voc / Danzig)und Márkus Tibor (piano / Budapest)

Der JazzBridge-Abend in der Schwankhalle bietet wie in den letzten Jahren gleich drei Konzerte:
Bremer Quintett Rosamunde mit der Jazzsinger-Songwriterin Julia Fiebelkorn
Krystyna Stańko, Preisträgerin des Anna Jantar Preises und ausgezeichnet mit zwei Fryderyk Nominierungen für das beste Jazzalbum, tritt mit Dominik Bukowski am Vibraphon und Piotr Lemańczyk am Bass in Bremen auf.
Das JazzBridge Ensemble schließt den Abend mit erstmalig gemeinsam erarbeiteten Stücken ab.

Organisiert wird die Jazzbridge durch agitPolska e.V. und artserv.net.
Gefördert wird die Jazzbridge durch den Senator für Kultur Bremen im Rahmen des
Kulturaustausches und das Generalkonsulat der Republik Polen in Hamburg.
Unterstützt wird das Projekt von Schwankhalle, MusikerInitiative Bremen, Hochschule für Künste Bremen, und dem Klub Winda in Danzig.


und weiterhin läuft: Nachbarn. Polnische Motive in zeitgenössischer deutscher Kunst.


Städtische Galerie Danzig – Galerie Günter Grass
16.04.2010-15.05.2010
Künstler: Anke Beims, Günter Grass, Constantin Hartenstein, Inken Hilgenfeld, Tom Korn, Michael Kurzwelly, Jan Poppenhagen, Dietmar Schmale, Tom Schön, Clemens Wilhelm
Kuratoren: Magdalena Ziomek, Kamil Kuskowski, Iwona Bigos

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Nachbarschaft als unerträgliche Last?
Zwei Jahre nach der ersten Edition der Ausstellung Nachbarn – Deutsche Motive in zeitgenössischer polnischer Kunst im Jahr 2007 in Hamburg wagen wir einen Blick auf die andere Seite der Medaille. Die deutsche Kultur, aber auch ihr Fehlen im Zusammenhang mit Motiven des II. Weltkrieges, ist ein Thema, welches polnische Künstler oft aufgreifen. Die geographische Nähe beider Länder brachte eine Faszination für den Westen. Man kann jedoch kaum von beiderseitigem Interesse sprechen. Auf der Suche nach deutschen Künstlern, die sich von Polen inspirieren ließen, stießen wir zuerst auf eine große Leere. Doch die letzten Jahre haben gezeigt, dass das Interesse am östlichen Nachbarn wächst, und so wurden erstaunlicherweise nicht bloß Stereotypen, sondern vor allem durchdringende Beobachtungen zum Ausgangspunkt künstlerischer Arbeiten.
Die ausgewählten Werke können wir unterteilen nach solchen, die unmittelbar die polnisch-deutsche Nachbarschaft, und die mit ihr verbundenen Probleme und Möglichkeiten thematisieren, nach sozialkritischen, die sich mit Stereotypen auseinandersetzen, sowie die einfach illustrativen.
Die polnisch-deutsche Nachbarschaft thematisiert z.B. Die Gegend gegenüber / Okolica na przeciwko von Tom Schön, dessen im Raum aufgehängte, rohe Eier hervorragend die Zerbrechlichkeit polnisch-deutscher Themen darstellen. Oder auch die gemalte Installation Herb /Gorzki von Inken Hilgenfeld, die aus Bildern einzelner polnischer oder deutscher Wörter wie Schuld, Schicksal, Schutz oder Schuss besteht, aus Wörtern also, die unsere gemeinsame Geschichte illustrieren. Abgerundet wird die Arbeit mit einem Porträt des polnisches Adlers, der den Eindruck erweckt, irgendwie geflickt, oder von der Geschichte beschmutzt zu sein. Michael Kurzwelly versucht in seiner Arbeit Witamy w Beelitz / Willkommen in Beelitz polnische Saisonarbeiter zu ermutigen, eine aussterbende Gegend im Osten Deutschlands zu besiedeln und zu polonisieren. Es ist die Fortführung seiner Projekte aus der Serie Wirklichkeitskonstruktionen / Kostrukcje Rzeczywistośći, in denen Vorgefundenes aufs Neue organisiert wird. Kurzwelly beschreibt sein künstlerisches Projekt so: "Einer Raumumordnung geht eine Raumumdeutung voraus. Um diese art des künstlerischen Eingriffs zu beschreiben, benutze ich den begriff "angewandte Kunst". Ich verstehe ihn als Beschreibung einer künstlerischen Strategie, die gesellschaftliche Probleme fokussiert, in sie eingreift und sie in eine andere Wirklichkeitskonstruktion transzendiert. Ich stelle Werkzeuge her, um diese neue Realität in den köpfen anderer Menschen entstehen zu lassen. "
Die Arbeiten Kurzwellys bewegen sich nicht nur in polnisch-deutschen, sondern auch in sozialen Grenzgebieten, denn Menschen sind das zentrale Element, welches die Wirklichkeit neu konstruieren kann. Der Mensch, seine Gebrechlichkeit und seine Kraft sind auch Themen des jungen Berliner Künstlers Jan Poppenhagen, der mit seinen Photographien aus der Serie Moabit „Persönlichkeiten“ dieses kontroversen Stadtteils der deutschen Hauptstadt porträtiert. Aus dieser Serie präsentieren wir zwei Photographien: Donpoleone, ein stolzer und vielleicht auch gefährlicher Pole aus Moabit. Donpoleone ist eine Kreuzung des Wortes Pole mit Don Corleone, dem berühmten Mafia-Boss aus Coppolas Film Der Pate. Der Clown ist eine Hip-Hop-Maskerade in den Farben der polnischen Flagge, Rot und Weiss; die polnische Version des soziopathischen Gegners von Batman, des Jokers. Poppenhagen stellt in einem Interview für Pro Libris (Lubuskie Pismo Literacko-Kulturalne Pro Libris nr 4 (29) – 2009, S- 109) lakonisch fest:
Auf den beiden Seiten nehmen sich die Protagonisten zu ernst. Wenn ich persönlich nicht mindestens 5 Prozent Ironie in einem Bild entdecke, verliere ich das Interesse.
Ganz anders präsentiert sich die polnische Hauptfigur seines Films to box. Das ist eine eingehende Analyse des Verhaltens eines Boxers im Ring: seiner Einsamkeit, des Kampfes und der Niederlage.
Eine andere Art der Einsamkeit, oder genauer gesagt, Vereinsamung zeigt die Arbeit Polnische Schwiegereltern / Polscy teściowie von Anke Beims. Die Künstlerin porträtiert polnische Eltern, deren Kinder im Ausland leben. Selbst mit einer polnischen Familie verschwägert, beobachtet sie mit Neugierde polnische Schwiegereltern. Ergebnis dieses Blickes sind Bilder von Wunschträumen und Sehnsüchten polnischer Eltern, die auf die immer seltener und kürzer werdenden Besuche ihrer Söhne und Töchter warten, welche bereits in einer anderen, etwas fremden und unverständlichen Wirklichkeit leben. Es ist ein Gedicht über unerfüllte Erwartungen, Abschied aber auch über Rückkehr und die Liebe.
Die Photographien von Anke Beims entstanden eigens für unsere Ausstellung, ebenso, wie die multimediale Arbeit Sie sucht ihn / Ona szuka jego von Clemens Wilhelm, die sich gewissermaßen des gleichen Themas annimmt, bloß aus einer gänzlich anderen Perspektive. Auch diese Arbeit handelt von Träumen, hier von Träumen polnischer Frauen, die versuchen, ihre Leben zu ändern, und mit Hilfe von Partnervermittlungsagenturen im Internet einen neuen Partner in Deutschland zu finden. Auf den Internetseiten unzähliger Agenturen stellen sich junge, reife, und auch ältere polnische Frauen vor. Für Träume ist es nie zu spät. Im Gegensatz zu Ihnen bleiben ihre potentiellen deutschen Partner unsichtbar. Clemens Wilhelm sagt dazu: Diese Portraits sind emotional, kulturell, sozial und politisch extrem aufgeladen. Sie vermitteln zum einen den Wunsch nach Nähe, Liebe und Geborgenheit und einem liebenden Ehepartner, zum anderen präsentieren sie den Lebensstil, den Geschmack, die Vorlieben, die Ambitionen, die Idealvorstellungen, das Selbstbild, die soziale Zugehörigkeit, den Bildungsgrad, die Vergangenheit und nicht zuletzt die Körperlichkeit der Frauen. (...)Wer sind diese Frauen? Wie sehen sie sich, wie wollen sie gesehen werden, und was sehen wir über uns in ihnen? Clemens Wilhelms Arbeit nimmt eines der weit verbreiteten Stereotypen über Polen, oder eher über Polinnen auf, nämlich das des guten und hübschen Ehefrau-Materials.
Ein weiteres Stereotyp, das der Haushaltshilfe, thematisiert Dietmar Schmale. Dieser Konzeptkünstler paraphrasiert den Ruf der polnischen Putzfrau, indem er sich selbst in diese Rolle begibt, und 10 Tage lang in polnischen Häusern und Institutionen putzt. Die Dokumentation dieser Performance heißt Restitution – kultureller Austausch / Restytucja – wymiana kulturalna. Schmale dazu: Ich bin bei meiner Großmutter aufgewachsen. Das war in den Siebzigen und Achzigen Jahren. Da meine Großmutter schon älter war, hat sie immer eine Frau zum Putzen gehabt. Alle diese Frauen kamen aus Polen (deshalb haben wir den Begriff „polnische Putzfrau“ verwendet). Viele von denen kamen nach Deutschland zusammen mit ihren Ehemännern, die auch auf der Suche nach einer Arbeit waren. Diese Frauen waren meistens nicht gebildet und sie bekamen für ihre Arbeit sehr wenig Geld. Sie waren auch nicht versichert. Letztens habe ich mich verpflichtet gefühlt einige hier geleistete Putzstunden im Rahmen einer symbolischen Performance zu ersetzen.
Eine eigentümliche Performance ist der typisch polnische, heidnische Brauch Śmingus Dyngus, der zum Ausgangspunkt des gleichnamigen Films von Constantin Hartenstein wurde – ein Versuch, dieses sehr spezifische Oster-Ritual auf den Straßen Polens zu erfassen. Der Künstler filmte den „nassen Montag“ in der Dreistadt, und kommentiert dies wie folgt:
Danzig, Gdynia und Sopot, zwischen Kirche und Lunch, Spaziergängern und Scheibenwischern verstecken sich Kinder mit Wasserpistolen bereit zum Angriff.
Osterritual an der Küste Polens, Schiffsknarren und Einläuten an der Schwelle von Winter und Frühling.
Das ist eine andere Art, auf den Nachbarn zu schauen. Ein neugieriger Blick auf etwas neues, unbekanntes, und gänzlich ausreichendes für Inspirationen. Ähnlich wirkte die polnische Landschaft auf Tom Korn, den unermüdlichen Reisenden, der ein häufiger Gast in Ost-Europa ist. Seine besondere Technik des „Bauens“ von Bildern aus Stücken von Teppichböden, gepaart mit seiner Faszination für die Konstruktionen kommunistischer Architektur verbindet sich zu einer Art „Plüsch-Konstruktivismus“. Durch die Wahl seiner Arbeitsmaterialien, die Assoziationen zur Gemütlichkeit wecken, weich sind, und eigentlich zum Berühren zwingen, ermuntert er seine Rezipienten zum haptischen Kennenlernen des Bildes seiner Bilder. Polnische Plattenbau-Siedlungen, zerstörte Haltestellen werden so weniger kantig und unangenehm. Tom Korn ist jedoch nicht der einzige Künstler, den polnische Anblicke faszinieren. In einer Graphik von Günter Grass, der bei dieser Ausstellung nicht fehlen durfte, erkennen wir eine typische polnische Allee, und der Titel In Polen unterwegs / Podróżując po Polsce wundert uns nicht. Etwas anders ist es im Falle der Polnische Gans / Polska gęś; diese Radierung ist nicht inspiriert von Polen, als Land oder Landschaft, sondern von der literarischen Beschreibung in seinem bekanntesten Buch, der „Blechtrommel.“

Iwona Bigos

Künstler:
Anke Beims - Polnische Schwiegereltern / Polscy teściowie, Photographie 2010
Günter Grass - In Polen unterwegs / Podróżując po Polsce, Radierung 1972; Polnische Gans / Polska gęś, Radierung 1981
Constantin Hartenstein - Smingus Dingus, Videoinstallation 2008
Inken Hilgenfeld - Herb / Bitter, graphische Installation 2010
Tom Korn - Danzig / Gdańsk, Bild 2007; Zieleniak, Bild 2007; Haltestellen / Przystanki, Bild 2006; Wechselstube / Kantor, Bild 2006
Michael Kurzwelly - Słubfort, ein Stadt an der Oder / Słubfort Miasto nad Odra, eine Performance am 16.04.2010; Willkommen in Beelitz / Witamy w Beelitz, Video 2008
Jan Poppenhagen - Donpoleone, Photographie 2007; Clown, Photographie 2008; to box, Video 2003
Tom Schön- Die Gegend gegenüber / Okolica na przeciwko, Rauminstallation, 2010
Clemens Wilhelm- Sie sucht ihn / Ona szuka jego, Multimedia 2010
Dietmar Schmale - Restitution – kultureller Ausstausch / Restytucja – wymiana kulturalna, Dokumentation einer Performance, 2010


Organisation: Städtische Galerie Danzig, CSW Łaźnia, agitPolska e.V.